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29.12.2017 10:42

Keine Verwechslungsgefahr zwischen „RAP“ und „RAP SHOT“ trotz Warenidentität

BPatG, Beschl. v. 30.11.2017, Az. 25 W (pat) 1/16

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr nach § 125b Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle den Widerspruch zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen hat. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. (…) Bei der Widerspruchsmarke ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen, Anhaltspunkte für eine Stärkung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft sind weder vorgetragen noch ansonsten erkennbar.

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Der Umstand, dass es sich bei dem Wort „Rap“ um einen auf rhythmischem Sprechgesang basierenden Musikstil bzw. um die Abkürzung verschiedener Fachbegriffe (z. B. Rechnungsabgrenzungsposten, Risk Adjusted Performance) handelt, spielt vorliegend keine Rolle, weil sich daraus für den vorliegend relevanten Produktbereich der Klassen 3 und 5 keinerlei beschreibender Sachinhalt ergibt.

2. Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von der Registerlage auszugehen. Die Vergleichsmarken können sich im Umfang der angegriffenen Waren der Klassen 3 und 5 auf identischen Waren begegnen.

3. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Identität der sich gegenüberstehenden Waren sind strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke „Rap Shot“ im Verhältnis zur Widerspruchsmarke „RAP“ aber noch in jeder Hinsicht gerecht wird.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – La Espaňola/Carbonell; BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 26 – airdsl; BGH GRUR 2011, 824 Rn. 26 – Kappa; BGH GRUR 2006, 60 Rn. 17 – coccodrillo). Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. BGH in GRUR 2016, 283 Rn. 37 – BioGourmet m. w. N.).

a. Zunächst ist keine unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben.

aa. Bei einem unmittelbaren Vergleich der Zeichen „Rap Shot“ und „RAP“ in ihrer Gesamtheit kommt eine Verwechslung schon wegen des allein in der angegriffenen Marke zusätzlich vorhandenen Wortbestandteils „Shot“ nicht in Betracht.

bb. Allerdings schließt der Umstand, auf den der Markeninhaber hinweist, dass die sich gegenüberstehenden Zeichen stets in ihrer Gesamtheit zu vergleichen sind, es nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtliche relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. hierzu BGH GRUR 2009, 484 Rn. 32 – Metrobus; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2013, 1239 Rn. 32 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Prägenden Charakter hat ein Zeichenbestandteil, wenn die weiteren Bestandteile des Zeichens in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen. Weil sich der Verkehr gerade an den unterscheidungskräftigen Bestandteilen eines Zeichens orientiert, ist für die Prüfung des prägenden Charakters die Kennzeichnungskraft der Zeichenbestandteile zu untersuchen (vgl. GRUR 2007, 235 – Goldhase I; GRUR 2008, 505 Rn. 32 – TUC-Salzcracker).

Eine Verwechslung der Zeichen käme vorliegend unter anderem dann in Betracht, wenn dem Bestandteil „Rap“ in der angegriffenen Marke eine prägende Stellung beizumessen wäre, was aber nicht der Fall ist.

Anders als die Widersprechende meint, haben die angesprochenen allgemeinen Verbraucher bei der Bezeichnung „Rap Shot“ keine Veranlassung den weiteren Zeichenbestandteil „Shot“ zu vernachlässigen. Der Widersprechenden ist zwar zuzugeben, dass es sich bei dem englischen Begriff „Shot“ für „Schuss“ um das auch in die allgemeine deutsche Sprache übernommene Wort für eine „kleine Menge (alkoholische) Flüssigkeit“ oder einen „Schluck“ handelt, das auch im Zusammenhang mit den einschlägigen Nahrungsergänzungsmitteln, Vitaminen und Schönheitsprodukten verwendet wird, um auf die flüssige Konsistenz, die besondere Konzentration der Flüssigkeit oder die kleine Menge des Stoffes hinzuweisen (vgl. die Anlagen zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 18. November 2015: „Carnitin Shots“, „vitamin shot“; „ENERGY VITAMIN SHOT“). Dabei erschließt sich ein rein beschreibendes Verständnis von „Shot“ aber jeweils nur in der konkreten Kombination mit weiteren sachbeschreibenden Wortbestandteilen. Erst im Zusammenhang mit einem vorangestellten in der Regel den Inhalt und die Zusammensetzung (Angabe des (Wirk)Stoffs z. B. Vitamin, Carnitin) oder die Wirkung (Zufuhr von Energie) des „Shots“ beschreibenden Zusatz ergibt sich ohne weiteres ein sinnvoller bzw. sinnstiftender Begriffsgehalt des Wortes „Shot“. Im Zusammenhang mit dem vorangestellten Wort „Rap“ erschließt sich ein solches rein beschreibendes Verständnis aber nicht und ist auch durch die vorgelegten Beispiele, bei denen der vorangestellte Begriff den „Shot“ näher bezeichnet, auch nicht nahegelegt. Denn „Rap“ eignet sich im vorliegend maßgeblichen Produktzusammenhang nicht dazu, den nachfolgenden Shot/Schuss/Schluck näher zu konkretisieren oder zu beschreiben. Er bezeichnet weder einen Wirkstoff, die Wirkungsweise oder sonst in irgendeiner Weise den Inhalt oder die Bestimmung des so bezeichneten „Shots“. Vielmehr ergibt sich im Zusammenhang mit dem Begriff „Rap“ ein eigenständiger phantasievoller Gesamtbegriff, bei dem der angesprochene Verbraucher keine Veranlassung hat, bei der klanglichen Wiedergabe und/oder aus der Erinnerung heraus sich nur an dem Anfangsbestandteil „Rap“ zu orientieren und den nachgestellten Markenbestandteil „Shot“ wegzulassen bzw. kennzeichenmäßig außer Acht zu lassen.

cc. Auch in ihrem Sinngehalt unterscheiden sich die Bezeichnungen „Rap Shot“ und „Rap“ deutlich voreinander. Eine unmittelbare begriffliche Zeichenähnlichkeit kommt nur in Betracht, wenn der Begriffsinhalt der Vergleichszeichen vollständig oder doch im Wesentlichen übereinstimmt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 285). Im vorliegenden Produktbereich handelt es sich jeweils um Phantasiebezeichnungen. Der als Musikrichtung bekannte Begriff „Rap“ ist für die angesprochenen Verbraucherkreise in dem Bereich der Kosmetika, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege sowie der Pharmazeutika und Nahrungsergänzungsmittel sowie Vitaminprodukte ohne erkennbaren Begriffsgehalt. Bei der Bezeichnung „Rap Shot“ handelt es sich nicht um ein Synonym für den Begriff „Rap“.

b. Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr der Zeichen im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG.

Von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens ist angesichts fehlenden Vortrags zu einer auf dem Markt präsenten Markenserie der Widersprechenden nicht auszugehen.

Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn unter Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Bestandteils „Rap“ in der angegriffenen Marke ist zu verneinen. Ein besonderer Umstand, der es rechtfertigen kann, in einem zusammengesetzten Zeichen einen Bestandteil als selbständig kennzeichnend anzusehen, liegt vor, wenn eine ältere Marke von einem Dritten in einem zusammengesetzten jüngeren Zeichen identisch oder sehr ähnlich unter Hinzufügung eines Unternehmenskennzeichens oder eines Stammbestandteils eines Serienzeichens verwendet wird. In einem solchen Fall kann nach ständiger Rechtsprechung die ältere Marke in dem zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behalten, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden (vgl. u. a. EuGH, GRUR 2005, 1042 Rn. 29 f. – THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2013, 833 Rn. 51 – Culinaria/Villa Culinaria). Eine solche Fallgestaltung liegt aber vorliegend nicht vor. Zwar wird die Widerspruchsmarke „Rap“ in die jüngere Marke vollständig übernommen. Die angesprochenen Verbraucher nehmen „Rap“ aber in der Marke „Rap Shot“ nicht als eigenständig kennzeichnend wahr. Abgesehen davon, dass der Bestandteil „Shot“ ersichtlich weder ein Unternehmenskennzeichen noch ein Stammbestandteil für den Inhaber der jüngeren Marke darstellt, ist der Bestandteil „Rap“ mit dem weiteren Begriff „Shot“ aber zu einer gesamtbegrifflichen Einheit verbunden, bei der es naheliegt, sie in einem Zusammenhang zu lesen.

Der Umstand, dass die angesprochenen Verkehrskreise lediglich irgendwelche rein assoziativen gedanklichen Verbindungen zwischen den Marken „Rap Shot“ und „Rap“ herstellen, weil die Wahrnehmungen der einen Marke die Erinnerung an die andere Marke weckt, obwohl die Zeichen nicht miteinander verwechselt werden, reicht für die Bejahung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr nicht aus (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 783 – Zwilling/Zweibrüder).

(…)“